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Hermann Lietz

Der Reformpädagoge Hermann Lietz (1868 - 1919), der im Alter von 10 Jahren die Geborgenheit seines Elternhauses auf Rügen verlassen musste, um in Greifswald und später Stralsund das Gymnasium zu besuchen, empfand seine eigene Schule als Drillzeit und als Entfremdung vom Leben in der Natur und in stabilen sozialen Beziehungen.


Bei einem einjährigen Aufenthalt im englischen Abbotsholme lernte er die englische Internatsbewegung kennen und brachte sie nach Deutschland. Er wollte eine bessere Schule schaffen. Schule hatte nach seiner Überzeugung den Auftrag, für Kinder und Jugendliche ein ganzheitliches Erlebnis- und Lernfeld bereitzustellen und ihnen im Geiste Pestalozzis ein Leben und Lernen mit Kopf, Herz und Hand zu ermöglichen.

Kopf-Herz-Hand

"Kopf, Herz, Hand" bedeutet nicht mehr nur Töpfern und Goldschmiede, sondern auch Startups gründen, Jugend forscht, musiziert, gründet, programmiert und diskutiert! In diesem Sinne bedeutet Fridays for Future keine Streik sondern einen Ansporn, Ideen und Überzeugungen interdisziplinär und orientiert an den 17 SDG! umzusetzen. In unseren Vorüberlegungen zu dieser neuen Website notierte einer unserer Kollegen die Stichworte, dieses Engagement seitens der Schüler:innen und der Lehrer:innen zusammenfassen: Identifikation, Gemeinschaft, Motivation, Sinnstiftung, Alleinstellungsmerkmal, Nachhaltigkeit. Sie werden durch unseren Wertekanon ergänzt: Wertschätzung, Vorbildwirkung, Motivation, Gemeinschaftsförderung, Werteorientierung, Gemeinwohl-Ökonomie-Ansatz etablieren.

Diese Haltungen und Grundsätze werden in unserem Internat durch die Lietz-Pädagogik nach Herman Lietz (1868-1919) geprägt. Regelmäßig treffen sich unsere Kollegin:nen zur Leitz-Akademie unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Koerrenz an der Universität Jena, um über Lietz zu diskutieren und sich auszutauschen.


Wir haben nach der Lektüre der Werke von Hermann Lietz einmal versucht, seine Grundgedanken in sechs Punkten zusammenzufassen:

  1. Individualität: Lietz betonte die Bedeutung des Individuums und die Notwendigkeit, jedes Kind individuell zu betrachten und zu fördern.
  2. Naturverbundenheit: Lietz sah die Natur als wichtigen Teil des Lernprozesses und betonte die Bedeutung von Outdoor-Aktivitäten und Naturbeobachtungen.
  3. Gemeinschaftserziehung: Lietz glaubte an die Kraft der Gemeinschaft und die Bedeutung, Kinder in einer Gemeinschaft zu erziehen, die auf gegenseitiger Unterstützung und Zusammenarbeit basiert.
  4. praktische Bildung: Lietz legte großen Wert auf praktisches Lernen und die Verbindung von Theorie und Praxis.
  5. Entwicklung der Sinne: Lietz betonte die Bedeutung der Entwicklung der Sinne als Grundlage für das Lernen und die Entwicklung eines ganzheitlichen Verständnisses.
  6. Entwicklung der Persönlichkeit: Lietz sah die Entwicklung der Persönlichkeit als wichtigstes Ziel der Erziehung und legte großen Wert auf die Förderung von Selbstbewusstsein, Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein.

Psychische Belastungen

In den letzten Jahren hat die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen hat auch ganz besonders durch die Erlebnisse der Corona-Pandemie sehr stark zugenommen. Weitere Gründe kommen dazu: Kriege, Flüchtlingsbewegungen, Klimakrise, wirtschaftliche Sorgen und Armut. Schule kann in dieser Situation ein stabilisierender Lern- und Lebensort sein. Schule kann aber auch zu einem zusätzlichen Belastungsfaktor werden – das zeigen die jüngsten Ergebnisse des Deutschen Schulbarometers der Robert Bosch Stiftung. Die repräsentative Schulleiterbefragung offenbart: Knapp die Hälfte der Schulleitungen (48 %) findet, dass die traditionelle Prüfungs- und Benotungspraxis eine starke psychische Belastung für Schüler:innen darstellt. Gleichzeitig geben 20% aller Schulleitungen an, dass an ihrer Schule weder Angebote der Schulsozialarbeit noch der Schulpsychologie zur Verfügung stehen. Und selbst wenn, gibt nur die Hälfte der Befragten an, dass ihr Angebot auch tatsächlich den Bedarf abdeckt. Auf Schloss Bieberstein kümmern sich erfahrene Sozialpädagogen und eine Krankenschwester um die Nöte der Schüler:innen

Wir als Lietz Internat Schloss Bieberstein verbinden gleichermaßen die klassischen Ideale der Lietz-Pädagogik mit den neuesten Erkenntnissen in Unterrichtsmethodik und Erziehungswissenschaft, um die uns anvertrauten Jugendlichen auf künftige Herausforderungen vorzubereiten.

In unserer Internats-Schule Schloss Bieberstein kümmern sich Sozialpädagogen, Familieneltern und natürlich die Fachlehrer individuell um Ihren Teenager. Nach der Devise "Niemand wird alleingelassen," sind den Betreuer:innen immer frühzeitig Sorgen und Nöte ihrer Schüler:innen bekannt und sie sind jederzeit bereit, Hilfestellungen zu leisten. Sie haben Zeit für intensive Gespräche, die Schüler:innen in den Entwicklungsprozess einzubeziehen, um zu verstehen, welche Art von Unterstützung sie benötigen. Dies erfordert eine Veränderung der Schulkultur, die auf Zusammenarbeit und Empathie basiert. Unser Internat ist nicht nur als Ort des Lernens, sondern soll auch als Ort des Wohlbefindens wahrgenommen werden. Nur so kann die psychische Gesundheit der Schüler:innen gewährleistet werden.

    Wie wird mit sozialen und disziplinarischen Problemen umgegangen?

    Wie im sonstigen Leben kommt es auch an den Lietz Internaten zu Konflikten bei den Schülern untereinander oder zwischen Schülern und Lehrern. Die Kinder werden dazu angehalten, das Gespräch zu suchen und ihre Konflikte fair und gewaltfrei zu lösen. Schüler, die wiederholt Regeln verletzen, erhalten disziplinarische Maßnahmen, wie Zusatzaufgaben oder Sonderdienste auf dem Campus und bei schlimmeren Vergehen auch zeitweilige Suspendierungen bis hin zur Entlassungsandrohung. Sozialpädagogen ergänzen das Lehrpersonal und helfen bei größeren oder langwierigen Problemen.

    Die auch heute noch völlig richtigen reformpädagogischen Vorstellungen müssen in die neue Zeit übersetzt werden. Die tollen Schulprogramme müssen begreifbarer gemacht werden, müssen sichtbarer werden, ein frisches, junges Gesicht bekommen und vielmehr in der Sprache der sozialen Medien verfasst werden, denn heute suchen sich primär die Jugendlichen das Internat aus und weniger deren Eltern. Heranwachsende suchen vor allem auch Freundschaften mit Gleichaltrigen - und erst nachgelagert prächtige (aber „leerstehende“) Räume. Sie wollen auch Einblick in den Alltag und nicht nur in Highlights, welche mittlerweile an allen Schulen ähnlich spaßig dargestellt werden dürften.

    Die Zukunft der Lietz-Pädagogik

    Die größte Herausforderung für „unsere“ drei Internatsschulen dürfte sein, die progressiven Vorstellungen, Prinzipien und Bausteine von vorzüglicher und wertvoller (Allgemein-) Bildung zur Gründerzeit in einem derzeit sehr wettbewerbsbetonten Umfeld aufzugreifen und in eine zukunftsorientierte Erzählung zu überführen.

    Unsere pädagogische Überzeugung, über die weitgehender Konsens bestehen dürfte, muss in der Sprache und Lebenswelt unserer Zielgruppen ankommen und als gewinnbringend verstanden werden.

    Lebensleistungen und die Fähigkeiten aller Beschäftigten müssen zweifellos gewürdigt werden. Aber der stete Wandel (das Change-Management) muss in den Fokus rücken und allen Mitarbeitenden erfüllende Angebote abverlangen. Zufriedenheit sollte aus dem gemeinsam Erreichten geschöpft werden. Dies gilt für alle Beteiligten, unabhängig ob Schüler oder Betreuende und sonst Verantwortliche. Mit ständiger Askese allerdings schlüge das Pendel auf die genauso falsche andere Seite aus. Herr Meister zeigte diesen geduldigen Balanceakt um Einsicht und das richtige Fingerspitzengefühl in seiner Antwort ja einprägsam auf.

    Wichtig dabei ist es, sich (möglichst breit) auf gemeinsame Vereinbarungen zu einigen und diese dann auch verbindlich einzufordern (natürlich ohne eine verständnislose Prinzipienreiterei). Wichtig ist, Eltern Sicherheit zu geben, dass die Internatsschule die Kinder und Jugendlichen derart fördert und fordert, wie sie als pädagogische Laien nie (oder nicht mehr) in der Lage waren, auch wenn sie es noch so gern gut gemacht hätten. Dabei „coachen“ (und ggf. erziehen) die Profis die Anvertrauten und legen umsichtig die „Maßstäbe für gehaltvolle Ansprüche“ fest – und nicht lautstarke Rädelsführer oder Blockierer, von denen Sie auch berichten und die wir alle kennen. Dieser Schritt scheint in Bieberstein Anfang der 2010er nötig gewesen und von Herrn Meister und seinem Team bereits erfolgreich verfolgt worden zu sein.

    Das Credo und die Strategie „sich Hilfe, sich Unterstützung bei Kompetenten zu suchen, im Blick darauf, was man vielleicht alleine nicht so gut kann“ steht im Vordergrund. Ein Gesamtleiter allein mag zunächst mit Energie, Vorbild und Anweisungen viele Fortschritte erzielen können, weil er sich aufwändige Abstimmungsprozesse spart. Nachhaltig und exzellent sind die Ergebnisse aber nur, wenn jede und jeder ihr / sein Bestes einbringen kann und die Internatsschule dadurch aktiv mitgestaltet. Derartige Selbstwirksamkeit ist auf allen Stufen, in allen Gruppierungen motivierend und identifikationsstiftend. Dafür aber muss es einen Kompass geben, eine Mission sowie die zugehörigen Visionen und Strategien. Daran arbeitet - mit Unterstützung ebensolcher Profis - gerade ein Gremium rund um die derzeitigen Gesamtleiter der drei Internatsschulen. Es geht um einen Entwicklungsprozess, zu dem auch  das Stichwort „17 SDGs“ als Kompass bis 2030 gehört.

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